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Rathmann

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Indie, Pop, Neue Neue Deutsche Welle
Samstag, 29.07.2023

Im Radio singt Max Giesinger belanglose Kalendersprüche und die Studi-Popband von nebenan schaut zynisch auf eine bedeutungslose Welt. Währenddessen singen Rathmann von echter Liebe und Einsamkeit, von Träumerei und Tatendrang.

Zunächst machte heute 26-jährige Sänger Magnus Ernst solo und über mehrere Veröffentlichungen und hunderte Konzerte hinweg auf Englisch Musik, seit April 2021 auch im Verbund mit drei ebenfalls umtriebigen Musiker*innen: Caro Sommer (E-Gitarre), Arne Wolff (Schlagzeug) und Moritz Weishaupt (Bass). Der entscheidende Unterschied: Magnus textet jetzt auf Deutsch – und zwar so gut, dass sich Vergleiche zu namhaften Poplyrikern aufdrängen.

Noch vor Wanda und ihrem auch in Sachen Weinseligkeit naheliegenden Schweizer Kollegen Faber darf man dabei vorsichtig auch Rio Reiser in die referenzielle Waagschale werfen – und gleich wieder vergessen. Weil, wie das so ist mit Vergleichen: Sie sind dazu da, von den Verglichenen schamhaft über Bord geworfen zu werden, weil an der nächsten Ecke sowieso wieder jemand anderes Von Wegen Lisbeth reklamiert oder gar Nick Cave - Ehrlichkeit, Rock‘n’Roll-Attitüde und noch eine Runde Wein für alle.

Die Marburger Band “Rathmann” veröffentlicht ihre selbstbetitelte Debüt-EP: Exzess, Liebe, Enttäuschung, Aufgabe, der Kater danach und wieder von vorne. Rathmann haben die Songs dazu.

Die Texte von Rathmann benutzen vertraute Bilder und zerren sie durch verdrehte Redewendungen. Neben der wörtlichen Aussage lässt sich so, wenn man nur etwas an der Oberfläche kratzt, auch immer eine Metapher erahnen. Dadurch greifen die Texte zeitgenössische Problematiken auf, ohne auf das Erzählen von sehr menschlichen und damit zeitlosen Geschichten verzichten zu müssen.

Musikalisch prägt Caro Sommers Gitarre den Klang der Band. Mal bastelt sie aus Hall- und Delay-Effekten riesige, dunkle Räume - mal peitscht sie die Songs mit beißenden Riffs nach vorne. Am Bass überzeugt Moritz Weishaupt durch viel Understatement und wechselt fließend von simplen, groove-orientierten Basslinien zu unruhig überkochenden Melodien. Arne Wolff am Schlagzeug hält die Band zusammen und brilliert dabei durch Drive und viel Liebe zum Detail.